"Sobald einer über die Staatsangelegenheiten sagt: "Was geht's mich an?",
muss man damit rechnen, dass der Staat verloren ist."
JEAN-JACQUES ROUSSEAU (Philosoph und Pädagoge)
Die 13. Klasse des Beruflichen Gymnasiums Dr. Hermann Schulze-Delitzsch
unternahm am zweiten und dritten Juni 2022 eine Fahrt nach Berlin
welche ganz unter dem Motto "Politik" stand.
Nach unseren gerade abgelegten Abiturprüfungen hatten zugegebener Maßen nicht alle Lust auf zwei Tage Sightseeing und Politik in Berlin, doch letztendlich wurde der Ausflug für Alle vielfältiger, informativerer und spaßiger als erwartet. Busfahrer Olaf, dessen Namen man sich aufgrund des Kuscheltieres Schneemann "Olaf" an der Frontscheibe sehr gut merken konnte, begrüßte uns und so ging es mit rund 50 Schülern sowie unseren zwei Geschichte/Gemeinschaftskunde-Lehrern Herr Linde und Frau Rollenhagen auf nach Berlin.
Reiseorganisator Heiko Wittig unterrichtete uns während der Busfahrt mit seiner humorvollen Art über unser Programm und erzählte uns bei der Einfahrt Berlins interessante Details über die AVUS, Siegessäule, Schloss Bellevue und Co., sodass die Busfahrt nicht langweilig wurde.
In Berlin angekommen besichtigten wir als erstes die "Gedenkstätte Berliner Mauer".
Durch einen kurzen Film erfuhren wir durch anschauliche Animationen, dass diese nicht nur eine Mauer, sondern ein breiter Grenzstreifen mit sehr vielen Sicherheitsmaßnahmen war und konnten unser doch schon etwas abhanden gekommenes Wissen über die Geschichte der Berliner Mauer wieder auffrischen.
Im Anschluss wurden wir von dem Urberliner Stadtführer Claas Gnauck durch die Gedenkstätte geführt, welcher uns mit seiner fesselnden Art vieles über den Unterschied von Ost und West, persönliche Grenzübergänge und den Grenzstreifen erzählte.
Vor allem die Geschichten der Mauertoten durch Fluchtversuche mit dem Heißluftballon, durch Tunnel oder Schwimmversuche berührten die Schüler.
Nach einer kurzen Stärkung mit Currywurst und Pommes führte er uns nun durchs Berliner Regierungsviertel. Vorbei am Reichstagsgebäude, Paul-Löbe-Haus, ARD Hauptstadtstudio und vielen weiteren Regierungsgebäuden, wurde deutlich wie groß "der Mittelpunkt unserer Demokratie" eigentlich ist.
Anschließend besichtigten wir zusammen mit Heiko Wittig die Ausstellung "Erlebnis Europa", in welcher wir in einer Art Rundkino das
Europaparlament spektakulär animiert in 360° erleben konnten sowie interaktive Displays und eine Fotoecke auf spaßige Art und Weise Wissen über Europa vermittelten.
Claas' interessante Geschichten, mit welchen er wirklich jeden Schüler erreichte, kann man auch in seinem Radiopodcast im Stadtfunk Berlin lauschen.
Nachdem wir noch einen kurzen Blick auf das Brandenburger Tor warfen, ging es nun zu unserer Jugendherberge "DJH Berlin-International" in der Nähe des Potsdamer Platzes.
Am Abend konnten wir selbst das Berliner Nachtleben erkunden. Für viele von uns "Klein-Stadt-Kindern" sicherlich ein Highlight dieser Fahrt. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an unsere Lehrer, welche uns hier als Verantwortliche viel Vertrauen geschenkt haben.
Am nächsten Morgen starteten wir mehr oder weniger ausgeschlafen mit einer großen Stadtrundfahrt durch Berlin. Erneut begeisterte uns Stadtführer Claas mit interessanten Geschichten rund um Kreuzberg, die East Side Gallery sowie Checkpoint Charlie und uns fiel immer wieder auf wie multikulturell Berlin ist. Spätestens als Claas uns die angesagtesten Clubs der Stadt zeigte, waren wieder alle mit vollem Elan dabei.
Zuletzt stand der Höhepunkt unserer Berlinfahrt an - die Besichtigung des deutschen Bundestags. Nach umfassenden Sicherheitskontrollen durften wir in einer Bundestagssitzung zuhören. Da wir glücklicher Weise genau zum Schlusstag der Haushaltswoche rund um das heiß diskutierte 100 Milliarden Euro Paket für die deutsche Bundeswehr den Bundestag besichtigten, waren alle wichtigen Politiker im Haus.
So konnten wir nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz sondern auch andere bekannte Politiker wie Annalena Baerbock, Christian Lindner, Cem Özdemir und Karl Lauterbach entdecken. Am Anfang beobachteten wir viele verschiedene Abstimmungen. Mal warfen die Politiker eine Karte in eine Urne, mal mussten sie aufstehen und wieder ein anderes Mal sollten sie nur die Hand heben.
Wir waren überrascht, dass es im Bundestag teilweise sehr ähnlich wie in der Schule zuging. Viele Politiker tippten am Handy, eine Politikerin kam zu spät, um ihre Stimme abzugeben und Vizepräsidentin des Deutschen Bundetages Petra Angelika Pau ermahnte immer wieder einzelne PolitikerInnen, dass sie sich setzen und ihr persönliches Gespräch beenden sollen.
Da wurde uns klar, dass PolitikerInnen eben auch nur Menschen wie wir sind.
Zum Ende konnten wir noch verschiedenen Rednern wie beispielsweise Alexander Dobrindt (CDU) zuhören, bei welchem wir realisierten, dass es im Bundestag auch "ganz schön zur Sache gehen" kann. Im Anschluss bekamen wir die Möglichkeit, in einer sehr interessanten Gesprächsrunde mit SPD Bundestagsabgeordneten Holger Mann Fragen zu stellen. Um einen Eindruck zu vermitteln, was die Jugend von heute bewegt, sollen an dieser Stelle einige aufgezählt werden.
Zuerst wurden Fragen zu den aktuellen Themen gestellt: Wie stehen Sie zu dem 100 Milliarden Euro Paket für die Bundeswehr? Warum wurde das Öl-Embargo so schnell beschlossen ohne dabei auf das Wohl der eigenen Bevölkerung zu achten, wobei dies doch die oberste Pflicht des Staates ist? Bleibt der Sprit jetzt für immer so teuer? Was machen sie dagegen, dass alles teurer wird? Wie soll unsere Generation die vielen Schulden, welche gerade gemacht werden, abbezahlen? Wie geht es mit Corona weiter und woher wissen die Politiker wann wir bestimmte Maßnahmen wie einen Lockdown brauchen und wann nicht?
Außerdem wurden einige Fragen rund um das Thema Schule und Berufsleben gestellt: Warum ist das Lehramtsstudium z.B. in Mathe immer noch so schwer und theoretisch, wenn es doch zu wenig Lehrer gibt. Warum gibt es immer noch kein Zentralabitur? Warum gibt es eine Trennung von Religions- und Ethikunterricht? Sollte man nicht grundsätzlich die Verbindung zwischen Kirche und Staat aufheben? Warum werden Gelder für z.B. soziale duale Studiengänge nicht erhöht beziehungsweise gestrichen? Warum wird über Dinge wie Harz 4 nicht mehr diskutiert? Sollte man nicht langsam den Geldhahn zudrehen bei Fachkräftemangel und Geldknappheit?
Holger Mann konnte zu all diesen interessanten Fragen Stellung nehmen, machte viele politische Entscheidungen für uns nachvollziehbar und überzeugte mit einer bodenständigen freundlichen Art.
Einige nutzen auch die Chance Fragen zum politischen Alltag zu stellen. So erfuhren wir zum Beispiel, wie Unstimmigkeiten in der Partei geklärt werden und das Holger Mann während der Arbeitswochen in Berlin in einer WG wohnt.
Zum Ende unserer Berlinfahrt besichtigten wir die Kuppel des Reichstagsgebäudes und konnten dabei noch einen letzten Blick über die Dächer Berlins schweifen lassen.
Und so ging es nach eindrucksreichen zwei Tagen zurück nach Delitzsch.
An dieser Stelle nochmal ein Herzliches Dankeschön an Holger Mann für das interessante Gespräch, Claas Gnauck für fesselnde Geschichten über Berlin und Heiko Wittig für eine hervorragende, jugendgerechte Organisation. Ich denke jeder hat etwas Anderes aus dieser Fahrt in unsere Hauptstadt mitgenommen.
Mir persönlich, hat diese Fahrt gezeigt, dass wir in einem sehr multikulturellen sowie freien Land leben und dass es Menschen gab, welche für unsere heutige Freiheit und Demokratie gekämpft haben. Viele schimpfen immer auf die Politiker und manche Kritik ist sicherlich auch berechtigt. Trotzdem hat mir diese Fahrt gezeigt, dass Politiker auch nur Menschen sind, welche unter den Grundsätzen der Demokratie dafür kämpfen, richtige Entscheidungen zu treffen. Ich denke man sollte respektvoll mit ihnen umgehen, sich die Zeit nehmen sich mit verschiedenen politischen Themen tiefgründig auseinander zu setzen und dankbar sein, in einem so freien Land wie Deutschland leben zu dürfen.
Lara Pönicke (Schülerin)